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Krematorium Nordheim

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Inhalt

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Der letzte Weg

Leben und Tod sind im Aufbahrungsraum vereint. Momente unendlicher Stille, zutiefst empfundener Trauer. Ein letzter Blick auf die verbliebene menschliche Hülle. Die Gedanken an einen geliebten Menschen bleiben lebendig.  
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Das Krematorium Nordheim ist das grösste in der Schweiz. In den 1990er-Jahren war es nach seiner Erweiterung zeitweise gar das grösste Europas. Diese Feuerbestattungsanlage befindet sich in der Stadt Zürich, im Quartier Unterstrass, und wurde 1963 bis 1967 vom Zürcher Architekten Albert Heinrich Steiner entworfen. Kühle Funktionalität prägt den Baustil.

Der Bereich der Aufbahrung wurde 1976 erweitert. Der Urnenhain wurde 1985 bis 1987 ausgebaut.

Die Ofenanlage wurde zwischen 1990 und 1993 von drei auf sieben Einheiten vergrössert. Zurzeit sind sechs elektrische Öfen in Betrieb.

2019 wurden im Krematorium Nordheim über 7000 Einäscherungen vorgenommen, knapp die Hälfte der Verstorbenen waren Stadtzürcher. Das Verhältnis von Kremation zu Erdbestattung beträgt in der Stadt Zürich 88 zu 12 Prozent.












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Die Bestatterin

Manuela Weidmann arbeitet seit 2012 im Krematorium Nordheim.         

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Fünf Grad misst die Temperatur im nüchtern gekachelten Kühlraum. Die säuberlich beschrifteten Särge aus dunklem (für Verstorbene aus einer Vorortsgemeinde) und hellem Pappelholz (für Stadtzürcher) ruhen auf Liegen mit Rollen. Im Innern warten die Verstorbenen auf ihre letzte Reise.

Ein toter menschlicher Körper kann üblicherweise bei fünf Grad eine Woche lang aufbewahrt werden. Hat hingegen bereits die Verwesung eingesetzt, liegen die Toten in einem zweiten Kühlraum bei zwei Grad. Personen, die unter ungeklärten Umständen (Unfall, Verbrechen, Suizid) ums Leben gekommen sind oder deren Identität noch nicht geklärt ist, befinden sich in einem dritten Kühlraum, bis sie von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden.

Aus gesetzlichen Gründen erfolgt eine Kremation in der Regel nicht früher als 48 Stunden nach dem Tod.

Im Krematorium Nordheim in Zürich werden je nach Anzahl Todesfälle durchschnittlich 30 Einäscherungen pro Tag vorgenommen.
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Die Rituale

Manuela Weidmann über den respektvollen Umgang mit Verstorbenen.

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In der Schweiz nehmen Kremationen stetig zu. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Vor 25 Jahren haben sich ungefähr sieben von zehn Personen kremieren lassen, heute sind es neun von zehn Personen. Gerade in den grossen Städten wie Zürich haben Kremationen deutlich zugenommen, während in ländlichen Teilen der Schweiz, die katholischer geprägt sind, der Anteil noch ein bisschen tiefer liegt. Gesamtschweizerisch lassen sich heute über 80 Prozent der Verstorbenen kremieren.

Welches sind die Gründe?
Ein erster grosser Schritt war, als 1963 das päpstliche Kremationsverbot aufgehoben wurde. Seit 1966 dürfen katholische Priester bei Kremationen die Trauerzeremonie durchführen. Diese Änderungen führten zu einem langsamen Anstieg der Kremationen bei der katholischen Bevölkerung. Andererseits sprechen auch praktische Gründe für eine Kremation. Es ergeben sich damit deutlich mehr Möglichkeiten der Grabarten, die Hinterbliebenen können die Urne mit nach Hause nehmen oder sie später auf einem anderen Friedhof beisetzen. Zudem sind die Angehörigen des Verstorbenen nicht an den Faktor Zeit gebunden, wie dies bei der Erdbestattung der Fall ist. Nicht zuletzt spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle.

Kann über die Kremationsasche frei verfügt werden?
Ja, im Gegensatz zu einer Erdbestattung, die zwingend auf einem Friedhof stattfinden muss. Mit der Urne beziehungsweise der Kremationsasche soll auf jeden Fall in schicklicher, pietätvoller Weise umgegangen werden. Die Asche wird in Zürich allerdings in weniger als fünf Prozent aller Kremationen ausserhalb eines Friedhofs verstreut.

Ich habe gehört, ein Fussballfan wollte bei einem Ableben seine Asche beim Anstosspunkt eines Fussballfeldes vergraben haben. Welche ungewöhnlichen Verwendungen der Asche sind Ihnen bekannt?
Ich habe schon gelesen, dass Verstorbene den Wunsch hatten, im Weltraum bestattet zu werden. Solche Vorstellungen kommen allerdings selten vor. Oft wird unaufgeregt gewünscht, dass die Kremationsasche an einem Lieblingsplatz, zum Beispiel auf einer Alp, unter einer alten Linde oder in einem Gewässer verstreut wird.

Neben der Kremation sind auch Gemeinschaftsgräber im Trend. Weshalb?

In der Stadt Zürich entscheiden sich vier von zehn Personen für ein Gemeinschaftsgrab. Dieser Wert hat sich in den vergangenen Jahren eingependelt und er wird wohl in dieser Grössenordnung bleiben. Ein Gemeinschaftsgrab ist bei vielen beliebt, weil es beinahe keine Unterhaltskosten nach sich zieht. Die Angehörigen haben mit der Grabpflege nichts zu tun, was all jenen entgegenkommt, die nicht dort leben, wo das Familienmitglied beigesetzt ist.

Urnen brauchen weniger Platz als Särge. Benötigen wir in Zukunft noch Friedhöfe in der Grössenordnung, wie wir sie heute kennen?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in naher Zukunft noch Friedhöfe braucht. Eine Stadt wie beispielsweise Zürich erlebt eine Verdichtung, Boden wird kostbar. Entsprechend steigt die Attraktivität der Friedhöfe. Es ist ein Wandel im Bestattungswesen im Gang. Vollbesetzte Grabfelder gehören bald der Vergangenheit an. Gerade grössere Friedhöfe wie das Sihlfeld werden vermehrt zu Begegnungsstätten, zu  Lebensräumen, Oasen für Ruhesuchende. Wichtig ist mir, dass auch in Zukunft auf den Friedhöfen ein würdevolles Miteinander von Verstorbenen und Lebenden möglich ist.












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Die Einäscherung

Der Weg des Sarges aus dem Kühlraum vor den Kremierungsofen.

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Die Kremierung

Die Halle mit den wuchtigen Öfen wirkt nüchtern. Ventilatoren dröhnen monoton. Eine Glasscheibe gibt den Blick frei in den Glutofen. Der Tanz der Flammen beginnt. Das Feuer verwischt die Konturen. Die Seele ist schon längst entflogen.

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Morgens um sieben Uhr beginnt die Kremation der Verstorbenen. Die sechs Elektroöfen werden nachts nicht komplett ausgeschaltet, weil das Aufheizen zu viel Energie verbraucht.

Der Ofenmeister bestimmt, welcher Verstorbene als Erstes in den 650 Grad heissen Ofen gefahren wird. Der Holzsarg dient nicht nur als Transportbehälter, sondern er ist im Ofeninnern auch das entzündende Element. Dahinter steckt ein ethischer Gedanke: Der Körper wird nicht angezündet, sondern er löst sich von alleine auf.

Der Sarg wird per Knopfdruck vollautomatisch auf Schienen in den Ofen gefahren. Auf der Ofenrückseite befindet sich eine kleine, verglaste Öffnung. Sie erlaubt einen direkten Blick in den Brennraum. Der Sarg verbrennt innert 10 bis 15 Minuten. Dann wird der glühende Körper sichtbar, später das Skelett. Es kann wegen Temperaturschwankungen vorkommen, dass sich Muskeln und Sehnen des Toten zusammenziehen und sich dadurch ein Bein oder ein Arm leicht bewegt.

Ein toter Körper brennt meistens zwischen einer Dreiviertelstunde und zwei Stunden. Weist der Verstorbene einen geringen Fettanteil auf oder hat er vor seinem Tod viele Medikamente eingenommen, erhöht sich die Brenndauer.

Angehörige sind gelegentlich bei der Einäscherung dabei. Menschen tamilischer Herkunft zum Beispiel legen Wert darauf, den Knopf selber zu drücken, der die Sargeinfahrt auslöst.











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Die Sargeinfahrt

Andreas Bichler über seine Arbeit, seine Routine und seine Emotionen.

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Das Krematorium Nordheim ist mit sechs elektrisch beheizten grünen Öfen ausgestattet, die sich in zwei getrennten Räumen auf einer Linie befinden. Die Elektro-Einäscherungsöfen des Herstellers ABB sind als Speicher ausgebildet, das heisst, die feuerfesten Materialien werden in der Nacht durch Heizelemente auf die Betriebstemperatur gebracht.

Ein Steuerungssystem überwacht und regelt die Brennprozessvorgänge. Am Kommandopult hat der Ofenmeister jederzeit die Kontrolle über die Einäscherungen. So kann er zum Beispiel das Feuer im Ofen stärker anfachen, indem er zusätzlich Sauerstoff dazugibt.

Bei der Verbrennung einer verstorbenen Person entstehen Gase, die aus den Öfen abgezogen und durch die Nachverbrennungskanäle und Filter zum Kamin des Krematoriums geleitet werden. Bei der Einäscherung wird Wärmeenergie frei, aus diesem Grund muss keine weitere Heizenergie zugeführt werden.











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Entscheid zu Lebzeiten

Andreas Bichler spricht über seinen Bestattungswunsch.

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Insgesamt sind sieben Angestellte im Krematorium Nordheim beschäftigt (Durchschnittsalter 47 Jahre). Die Mitarbeitenden – darunter vier Frauen – sind in monatlich wechselnden Schichten in jeweils einem Bereich eingeteilt, damit die mentale Belastung nicht zu gross wird. Mal bedienen sie die Öfen, mal betreuen sie die Aufbahrungsräume und empfangen Angehörige, die sich von den Verstorbenen verabschieden.

Voraussetzungen für die Arbeit eines Bestatters sind eine gute psychische und physische Verfassung sowie eine Ausbildung in einem technischen, handwerklichen oder pflegerischen Beruf.

Hier im unteren Teil des Ofenraums kehrt eine Mitarbeiterin mit einem langen Besen die verbrannte Knochenasche eines Verstorbenen zusammen, damit diese im vorderen Teil des Ofens ausbrennen kann.











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Das Entschwinden der Seele

Der Bestatter Andreas Bichler über Traditionen, Hoffnung und die Ewigkeit.      

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Asche zu Asche

Übrig bleibt feine Asche, abgefüllt in eine schlichte Urne. Zurück bleibt die Erinnerung an einen Menschen, an das bunte Leben. Präsent wird der Gedanke an verbleibende Zeit und die eigene Vergänglichkeit.
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Für Stadtzürcher Verstorbene steht entweder eine Urne aus einheimischem Holz oder eine Normurne aus Ton und mit aufgeprägtem Zürcher Wappen kostenlos zur Verfügung. Auch Urnenmodelle aus Materialien wie Holz, Stoff, Keramik und Kupfer stehen zur Auswahl.


Erlaubt ist, die Urne mit der Asche
  • nach Absprache auf dem Friedhof einer anderen Gemeinde beizusetzen
  • im eigenen Garten zu vergraben
  • zu Hause aufzubewahren

Angehörige können die Asche im Kanton Zürich auch an folgenden Orten ausstreuen: 
  • in einem See
  • in einem Fluss
  • im Wald
  • in der Landschaft
  • in den Bergen

In Zürich wird die Asche allerdings in weniger als fünf Prozent aller Kremationen ausserhalb eines Friedhofs ausgestreut.







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Der Tod

Andreas Bichler über klärende Gespräche zu Lebzeiten.

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Medizinische Implantate wie Herzschrittmacher, Zahnprothesen, Stents oder künstliche Gelenke, aber auch Metallteile wie Sargnägel und Sargbeschläge verbrennen nicht. Sie werden nach der Kremation von den Mitarbeitenden mit Magneten aus der Asche der Verstorbenen herausgeholt, sodass in der Urne nur körnige Knochenasche übrigbleibt.

Die Metallteile, oft aus hochwertigem Material, werden anschliessend durch eine spezialisierte Recyclingfirma weiterverwertet. Der Erlös geht in die Stadtkasse.

Eine spezielle Maschine, eine Art Schredder, zerkleinert die Knochenaschenteile. Das feine Granulat rieselt in der Maschine durch einen Trichter direkt in die Urne.

Später wird die Urne von einem Angestellten des Fahrdienstes des Zürcher Bestattungsamts abgeholt und zum Friedhof gebracht. Dort wird die Urne anschliessend im Kreis der Angehörigen beigesetzt.

Das durchschnittliche Gewicht der Asche eines verbrannten Körpers beträgt zweieinhalb Kilogramm bei einem Volumen von ungefähr drei Litern.











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Gedanken zur Ewigkeit

Bestatter Andreas Bichler über die Zwischenstation auf der Erde.

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Idee, Konzept, Interviews, Text:
Werner Schüepp

Fotografie, Video, Ton, Schnitt:
Robert Hansen

Chefredaktion: Robert Hansen
© «der arbeitsmarkt», März 2020

www.derarbeitsmarkt.ch
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