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«Kunst macht süchtig» (Heidi Miserez)

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Basis

Die im Aargau lebende Künstlerin Heidi Miserez (78) beschreibt ihre Kunst als zeitkritisch, atypisch, fordernd und fragend, das heisst dem Zeitgeist entsprechend. Die Aspekte Doppeldeutigkeit sowie Widersprüchlichkeit finden sich in vielen ihrer zumeist abstrakten Kunstwerke. Die Künstlerin beschreibt und erklärt ihre Hintergründe und Motive.
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Die Kunst

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Heidi Miserez wurde 1941 in Deutschland geboren und kam als junge Erwachsene in die Schweiz. Die gelernte Designerin und Stylistin hat jahrzehntelange Erfahrung in der Welt der Kunst.

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Heidi Miserez begann mit figurativen sowie gegenständlichen Kunstwerken und entdeckte bald darauf ihre Faszination für das Abstrakte. Die abstrakte Kunst bewegt sich weg vom Gegenständlichen und gibt so die Realität mehr und mehr auf. Durch die abstrakte Auflösung findet sich somit mehr Spielraum für unterschiedliche Interpretationen.

Heidi Miserez zieht ihre Inspiration primär aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Dabei ist für sie unter anderem die Bewegung der Neuen Wilden mit Schweizer Vertretern wie Martin Disler (1949–1996) relevant. Diese Kunstbewegung aus den 1980er-Jahren wollte mit ihrer subjektiven, unbekümmerten und lebensbejahenden Malerei die Kunst von den repressiven Zwängen des Intellekts befreien. Ausserdem zählt der dänische Maler und Bildhauer Per Kirkeby (1938–2018) zu Miserez’ Einflüssen. Dieser beschäftigte sich ab 1970 mit informeller Malerei, einem Teilgebiet der abstrakten Kunst, die sich durch das Ablehnen eines Stils auszeichnet. Auch den deutschen Aktionskünstler, Bildhauer und Zeichner Joseph Beuys (1921–1986) nennt Miserez als Inspirationsquelle.
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Der Künstlerberuf

Heidi Miserez machte eine Ausbildung zur Modezeichnerin beziehungsweise Modedesignerin. In der Modeschule befasste sie sich mit Farbenlehre und anderen Grundlagen, die für ihren späteren Beruf als Künstlerin essenziell sein sollten. Als für sie der Berufswunsch Künstlerin feststand, besuchte sie Weiterbildungen an verschiedenen Kunstakademien. So absolvierte sie Lehrgänge an der Kunstakademie Salzburg und der damaligen Kunstgewerbeschule Zürich.
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Collagen zum Thema Gender (links oben und unten)
Mischtechnik zum Thema Klima (rechts oben)
Collage zum Thema Ethnien (rechts unten)

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 «Die Kunst macht süchtig. Man kann gestalten, sich darin vertiefen und ständig weiterentwickeln. Das reizt mich am Künstlerdasein. Wenn mir ein Bild nicht gefällt, dann mache ich es kaputt und fange wieder von vorne an. Um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann. Eben als wäre man süchtig.»

«Am Künstlersein gefällt mir hingegen nicht, wenn ich auf Bewerbungen Absagen erhalte. Die meisten Galerien sind juriert, und es ist schwierig, eine geeignete Plattform zu finden. Aber das gehört leider dazu. Die Kritik kann jedoch auch wieder hilfreich sein. Wenn man seine Arbeit niemandem zeigt, kann man sich nicht verbessern.»
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Heidi Miserez experimentiert viel und testet neue Techniken. Sie sei ewig auf der Suche, wie sie sagt. Einen typischen Arbeitstag gebe es für sie nicht. Ähnlich wie bei einem Autor, der an einer Schreibblockade leidet, gebe es bei Malern auch sogenannte Malblockaden, sagt die Künstlerin. Die Ideen seien laut Miserez zwar da, jedoch wisse sie manchmal nicht, ob sich ihre Umsetzung lohne. Deshalb arbeite sie oft zielstrebiger, wenn sie beispielsweise ein Projekt für eine Ausstellung fristgerecht umsetzen müsse, da dieser Termindruck sie motiviere.
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«Im Unterschied zu einem normalen Beruf gibt es kein Abschalten. Die Projekte sind Tag und Nacht in meinem Kopf. Wenn ich aber die Lösung gefunden habe, führe ich sie aus – egal zu welcher Uhrzeit.»


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Heidi Miserez zog gemeinsam mit ihrem Mann René neben ihrer Tätigkeit als Künstlerin zwei Kinder gross. Da die Familie aufgrund des Berufs des Mannes jahrzehntelang in verschiedenen Ländern rund um die Erdkugel lebte, konnte Heidi Miserez ihren künstlerischen Horizont durch die verschiedenen fremden Kulturen erweitern.

Neben Mutterpflichten und Haushalt konzentrierte sie sich über die Jahrzehnte immer auch auf die Kunst, und so habe sie konsequent in der Kunstszene mitgemischt, indem sie immer wieder ihre Kunst an diversen Ausstellungen in der Schweiz und auch im Ausland präsentierte.
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Um sich einen Namen zu machen und Kunstwerke zu verkaufen, präsentiert Heidi Miserez ihre Kunstwerke regelmässig an Ausstellungen. Teilweise seien diese juriert, erklärt Miserez. Das heisst, die Werke werden nur nach einer Prüfung durch eine Jury ausgestellt. Die renommiertesten Galerien verlangten bis zu 50 Prozent des Verkaufspreises eines Kunstwerks als Provision.

Auch privat an sogenannten Atelierausstellungen lassen sich Kunstwerke verkaufen, jedoch werde dies von den Galerienbetreibern nicht gerne gesehen. Verkaufe man trotzdem privat, könne man sogar von den Galerien gesperrt werden respektive werde man nicht mehr von diesen ausgestellt, so Miserez. Sie hat solch eine Atelierausstellung auch noch nie durchgeführt.

Um ihre Kunstwerke zu präsentieren, ist Heidi Miserez zudem Mitglied in zwei Künstlervereinigungen, welche ebenfalls Ausstellungen veranstalten. Des Weiteren gebe es noch Angebote von der öffentlichen Hand, welche Aufträge an Künstler vergebe oder Ausstellungen anbiete.
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Künstler sein in der Schweiz

«Im Vergleich zu früher ist es heute schon einfacher, ‹Kunst› zu schaffen. Jeder kann Musik machen, malen oder Gedichte schreiben. Heute haben Künstler bessere Möglichkeiten, ihre Werke selbst auszustellen oder an die Kundschaft zu bringen, beispielsweise über das Internet.»
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«Von der Kunst zu leben, ist schwierig. Ein kleiner Prozentsatz der Künstler macht die hohen Gewinne, aber der Grossteil kann nicht von der Kunst leben. Wenn die Künstler Glück haben, werden sie irgendwann einmal aus der Versenkung hochgeholt. Aber solche Glückskinder gibt es wenige. Selbst an den renommierten Kunstschulen findet eine starke Auslese statt, und nur wenige Absolventen werden erfolgreich. Oftmals ist die Kunst zur Zeit des Schaffens auch uninteressant, und erst später findet die Öffentlichkeit Gefallen daran. Manchmal erst, wenn der Künstler schon tot ist.»
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Die Lage für Künstler auf dem Arbeitsmarkt sieht gemäss Heidi Miserez in der Schweiz schlecht aus. Es gebe zwar zum Beispiel Ausschreibungen für Kunst am Bau, wobei ein bestimmter Prozentsatz der Baukosten eines öffentlichen Gebäudes an einen Künstler gehen müsse, indem er mit einem Projekt beauftragt wird. Laut Miserez hätten kleine Künstler zwar die Chance, dort einen Auftrag zu bekommen, aber in der Realität sehe es meistens anders aus. Für Museumsausstellungen würden ebenfalls eher bereits etablierte Künstler angefragt, so Miserez weiter.

Dennoch habe die Schweiz als kleines Land überproportional viele erfolgreiche Künstler. Zum Beispiel Thomas Hirschhorn, ein Künstler, der durch Provokation erfolgreich ist. Für solche Künstler sehe die Situation natürlich sehr gut aus, aber die grosse Masse gehe eher unter, meint Miserez abschliessend.
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«Durch die Vielfalt der Angebote beziehungsweise Kunstrichtungen auf dem Markt ist alles anspruchsvoller geworden. Völlig andere Ausdrucksformen im Vergleich zu früher sind möglich, wie beispielsweise Explosionen und die Reaktion des Wassers darauf. Künstler müssen mit Neuem und Spektakulärem punkten. Dabei funktioniert vor allem Provokation gut. Der Schweizer Künstler Christoph Büchel hat beispielsweise an der Kunstbiennale von Venedig 2019 ein Flüchtlingsboot ausgestellt, welches 2015 im Mittelmeer gesunken ist, wobei mindestens 700 Flüchtlinge ums Leben kamen. Das alles sind die feinen Unterschiede zu früher. Ich sehe dies jedoch nicht kritisch, denn diese Kunstformen zeigen, dass alles im Wandel ist.»
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Acrylgemälde zum Thema Islam

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«Wenn ein Kunstwerk im Museum gezeigt wird und nach 50 Jahren immer noch ausgestellt ist, dann ist es gute Kunst und nicht bloss eine Modeerscheinung.» 

«Meiner Meinung nach darf sich jeder Künstler nennen, da das kein geschützter Beruf ist. Jedoch wird die Zukunft zeigen, wer wirklich relevant ist.»

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Konzept, Text und Audio:
Michael Erban

Fotos:
Michael Erban, Heidi Miserez

Projektleitung:
Iwon Blum

Gesamtverantwortung:
Robert Hansen, Chefredaktor www.derarbeitsmarkt.ch

Kontakt:
redaktion@derarbeitsmarkt.ch
© «der arbeitsmarkt», Juni 2019
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