«Im Rollstuhl kann ich doch keinen Laden führen»Trotzdem hat sich Iris Bachmann kürzlich genau diesen Traum erfüllt. Mit ihrem Merceriefachgeschäft trifft sie den Nerv der Zeit. Und wenn sie mal Hilfe braucht, sind helfende Hände nicht weit entfernt.
Faszination für Stoffe
Statt Lehrerin wurde sie Verkäuferin
Während ihr acht Jahre älterer Bruder eine geradlinige Karriere hinlegte, verlief der Berufseinstieg von Iris Bachmann weniger linear. Niemand wollte sie als Handarbeitslehrerin einstellen. Rückblickend erwies sich dies als grosses Glück. Denn um Zeit zu überbrücken, begann Iris Bachmann, in einem Warenhaus Wolle zu verkaufen. «Für mich war das mein schönstes Jahr. Beruflich ein Traum!», schwärmt Iris Bachmann noch heute.
Eine Rückkehr zum Lehrerberuf war von da an ausgeschlossen. Stattdessen absolvierte sie die Handelsschule und fand im Anschluss eine Stelle in einem Einrahmungsgeschäft, wo sie einerseits im Büro, andererseits in der Werkstatt arbeiten durfte. Total zehn Jahre blieb sie, modernisierte das Geschäft und baute das Sortiment um. Drei Jahre nach der Geburt ihrer heute 26-jährigen Tochter kündigte Iris Bachmann ihren Job, war fortan Mutter und Tagesmutter.
Aus Eigenbedarf entstand ein Onlineshop
Aufgehört zu nähen und zu stricken hat sie hingegen all die Jahre nicht. Nur schon aus praktischen Gründen. Denn Iris Bachmann ist gerade mal 1,54 Meter gross, genormte Konfektionsgrössen passen ihr meist nicht. Deshalb hat sie schon immer für sich selber Kleider genäht. Ab 2012 verkaufte sie selbst produzierte Gebrauchsartikel wie Schürzen, Topflappen und bestickte Babylätzchen an Märkten.
Für ihre Produkte verarbeitete Iris Bachmann gerne Bänder und Spitzen. «Doch fand ich in den Läden keine Auswahl. Insbesondere wollte ich mehr Auswahl an Farben.» Und so entstand aus dem persönlichen Bedarf an Mercerieprodukten die Idee zum eigenen Onlineshop, der Basis des heutigen Fachgeschäfts «Zum Gufechnopf».
Fortschreitende Erkrankung
So war es fast schon eine Erlösung, als Iris Bachmann mit 26 Jahren die Diagnose «Sarkotubuläre Myopathie» bekam. Endlich wusste sie, wieso sie schwächer war, wieso ihr die Energie fehlte.
Zunehmend auf Pflege angewiesen
Sarkotubuläre Myopathie ist eine sehr seltene Muskelerkrankung. Dabei ist die Zellmembran porös. Energie, welche die Zelle produziert, fliesst gerade wieder davon. Die Folgen sind Muskelschwund und Muskellähmung. «Wie eine Batterie, die geladen wird, aber ein Leck hat. Die Energie fliesst davon und wird nicht in den Muskeln genutzt», beschreibt Iris Bachmann die Krankheit.
Und sie ist progressiv fortschreitend. Sprich: Iris Bachmann erfuhr mit der Diagnose, dass sie immer schwächer werden würde, irgendwann auf den Rollstuhl und zunehmend auf pflegerische Unterstützung angewiesen sein würde.
Sie hat sich entschieden, zu kämpfen
Trotzdem hatte sie Hoffnung. Zu Beginn war sie fest davon überzeugt, wieder gesund zu werden, probierte alle möglichen alternativmedizinischen Therapien. Bis die junge Erwachsene nicht mehr konnte, keine Energie mehr hatte, länger zu hoffen. «Für mich ist damit eine Welt zusammengebrochen», sagt Iris Bachmann rückblickend. Sie, die gerne getanzt und gesurft hat, die gerne Eiskunstlauf gemacht hat und viel unterwegs war, hat sich vor dem geistigen Auge schon im Altersheim gesehen, hilflos vor sich hin vegetierend.
Doch zum Glück hatte sie gute Freunde, die sie psychisch wieder aufgebaut und motiviert haben. Iris Bachmann hat gelernt zu kämpfen, auch wenn Krankheitsschübe ihren körperlichen Zustand immer wieder verschlechtert haben und weiter verschlechtern werden. «Ich hatte die Wahl: Will ich weinend oder lachend leben, will ich Trübsal blasen oder fröhlich sein?», so Iris Bachmann. «Ich habe mich für die fröhliche Variante entschieden und begonnen, um Akzeptanz zu kämpfen.»
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© «der arbeitsmarkt», August 2021