Die Fahrt
Kapitel 1 – SattelfestStrassencowboys auf StahlrössernDrei Velokuriere aus Zürich über aussergewöhnliche Transportgüter, lange Distanzen und die Risiken eines Berufs, der für viele Fahrradboten zugleich Lifestyle und Leidenschaft ist.
SteckbriefLarry Boxler
• Motto: «Geniesse das Leben!»
• Als Velokurier unterwegs: seit einem halben Jahr
• Arbeitspensum: 70 Prozent oder etwa 30 Stunden pro Woche
• Gefahrene Distanz pro Woche: 300 bis 500 Kilometer
• Distanzrekord an einem Tag (8 bis 18 Uhr): 134 Kilometer
• Bussen als Velokurier: 1 (auf Trottoir gefahren = 40 Franken)
• Aussergewöhnlichstes Transportgut: Gewebe aus einer Brustamputation und Fett aus einer Fettabsaugung
• Lieblingsstrecke: überall dort, wo es bergab geht
• Gefährlichste Strecke in Zürich: Bellevue (wegen der Baustellen)
• Geplatzte Schläuche: anfangs einer alle zwei Wochen (jetzt guter Pneu mit Pannenschutz)
• Schlimmste Unfälle als Velokurier: nur Schürfverletzungen
Tour de ZürichWelche Strecke legt ein Velokurier an einem Tag zurück? Welche Höchstgeschwindigkeit erreicht er? Und wie viele Kalorien werden verbrannt? Wir haben bei Larry Boxler nachgemessen.
• Netto-Fahrzeit: 4 Stunden 33 Minuten 28 Sekunden
• Fahrstrecke: 114,81 Kilometer
• Durchschnittliche Geschwindigkeit: 24,39 km/h
• Maximale Geschwindigkeit: 54,92 km/h
• Niedrigster / höchster Punkt: 403 / 527 Meter über Meer
• Höhendifferenz bergauf / bergab: 890 / 856 Meter
• Durchschnittliche Herzfrequenz: 124
• Minimale Herzfrequenz: 73
• Maximale Herzfrequenz: 194
• Energieverbrauch: 4135 Kilokalorien
Der Beruf
Kapitel 2 – WetterfestFrischluftzufuhr für FreiheitsliebendeBei Distanzen bis zu 5 Kilometern sind Transporte per Velo von Tür zu Tür im Schnitt 30 Prozent schneller als solche per Auto. Und die Kuriere geniessen automatisch Sonne, Wind und Regen.
SteckbriefCristina Kappeler
• Motto: «Alles, was passiert, passiert aus einem bestimmten Grund»
• Als Velokurierin unterwegs: seit knapp einem Jahr
• Arbeitspensum: 9 Stunden pro Woche
• Tätigkeit neben den Kuriereinsätzen: arbeitet bei der ZHAW im Bereich Forschung und Lehre
• Anzahl Bussen als Velokurierin: keine
• Lieblingsstrecke: nach Wiedikon und generell bergauf
• Geplatzte Schläuche: einmal gleich vier in einer Woche, sonst keine
• Unfälle als Velokurierin: bislang keine
Der Beruf im SchnellcheckWelche Anforderungen werden an Velokuriere gestellt? Wie hoch ist deren Lohn? Und welche Waren werden überhaupt transportiert? Hier die Antworten auf diese und weitere Fragen im Überblick.
Die Geschäftsleitung der Genossenschaft Veloblitz in Zürich fasst die Anforderungen an Fahrerinnen und Fahrer in spe wie folgt zusammen:
• Kundenfreundlichkeit und Dienstleistungsbewusstsein
• Zuverlässigkeit
• Gute Stadtkenntnisse
• Interessiert an einer längerfristigen Verpflichtung
• Mental und körperlich belastbar
• Sattelfest in deutscher Sprache
• Solides Velo
Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Der älteste Kurier beim Veloblitz ist beispielsweise 52 Jahre alt.
--- Wie werde ich eingearbeitet?
Der Berufseinstieg erfolgt nach dem Learning-by-doing-Prinzip und mit Hilfe betriebsinterner Schulungen und Dokumentationen. Probefahrten mit erfahrenen Kurieren erlauben es, die Abläufe der Kurierarbeit kennenzulernen.
--- Wie viel verdient man im Schnitt?
Bei der Genossenschaft Veloblitz verdient eine Kurierin oder ein Kurier um die 25 Franken pro Stunde. Je nach Schicht ist das Salär definiert als Umsatzbeteiligung (beispielsweise 46 Prozent des Preises eines Auftrags) oder als fixer Stundenlohn.
--- Was wird transportiert?
Fahrradkuriere befördern von Akten bis Zellproben alles, was in den wasserdichten Kurierrucksack oder auf ein Lastenvelo passt: Glace, Blumen, Weinflaschen, Schlüssel, Brillen, Papiere jeder Art – aber auch einmal eine Waschmaschine oder eine Betonplatte.
--- Wie werden die Aufträge erteilt?
Aufträge werden vor allem via Funk übermittelt, manchmal aber auch mit einem Telefonanruf. Bei der Disposition wird berücksichtigt, welcher Kurier gerade welchen Auftrag bearbeitet und welche Aufträge dazu passen würden. Zudem wird versucht, die Aufträge möglichst gerecht zu verteilen. An einem Arbeitstag von 8 bis 18 Uhr (mit einer Stunde Pause) können für einen Kurier 20 bis 30 Auslieferungen anfallen.
--- Wie finde ich mein Ziel?
Die Kuriere müssen Adressen selber finden und können sich aus Zeitgründen in den allermeisten Fällen nicht auf elektronische Navigationshilfen verlassen. Im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen werden Informationen über Abkürzungen, Verkehrsbehinderungen und dergleichen mehr ausgetauscht.
Das Besondere
Kapitel 3 – NervenfestLifestyle und LeidenschaftKurierinnen und Kuriere sind oft extremen Bedingungen ausgesetzt. Und sie transportieren bisweilen auch Güter, mit denen Menschen aus anderen Berufen kaum je in Berührung kommen.
SteckbriefDominik Grolimund
• Motto: «Ride or die!»
• Als Velokurier unterwegs: seit über vier Jahren
• Arbeitspensum: 40 Prozent oder etwa 20 Stunden pro Woche
• Tätigkeiten neben den Kuriereinsätzen: Berufsmaturschule und Arbeit in einem Gastronomieunternehmen
• Gefahrene Distanz pro Woche: mehr als 200 Kilometer
• Distanzrekord an einem Tag (8 bis 18 Uhr): 150 Kilometer
• Bussen als Velokurier: zwischen 15 und 20 (die meisten gibt es bei Trottoirs, Rotlichtern und Einbahnstrassen)
• Lieblingsstrecke: nach Gockhausen und zum Zoo (wegen der Sicht hinunter auf die Stadt)
• Gefährlichste Strecke in Zürich: die Langstrasse am Wochenende = Verkehr, Partyvolk und Scherben
• Geplatzte Schläuche: pro Jahr 20 bis 30
• Schlimmste Unfälle als Velokurier: bis jetzt keine
• Schönstes Erlebnis: Bub fragt seinen Vater: «Was macht dieser Mann auf dem Velo?» – Vater antwortet: «Das ist ein Strassencowboy!» (Anekdote eines Kollegen)
Die Velokuriere in der SchweizSeit wann gibt es in unserem Land Kurierdienste mit Fahrrädern? Und wie hat sich die Branche entwickelt? Ein historischer Abriss zum Abschluss.
In der Nachkriegszeit verdrängten Autos und Motorräder immer mehr die Velokuriere von den Strassen. Motorfahrzeuge galten als fortschrittlich und moderner. Erst als in den 80er-Jahren Umweltbewusstsein und Verkehrsüberlastung eine immer grössere Rolle spielten, erlebten die Velokuriere einen neuen Aufschwung.
--- 1988 bis 1989
Der erste moderne Velokurierdienst der Schweiz wird in Luzern gegründet. In Bern, Zürich und Thun werden nachfolgend die nächsten gegründet.
--- 1990
Gründung des Verbandes der Schweizer Velokuriere (VSV).
--- 1992
In Zürich gibt es bereits drei Velokurierfirmen. Alle neun in der Schweiz tätigen Unternehmen erwirtschaften zusammen einen Jahresumsatz von 1,8 Millionen Franken.
--- 1999
Die siebten Fahrradkurier-Weltmeisterschaften finden in Zürich statt. Organisiert werden sie von erfahrenen Mitarbeitenden des «Veloblitz» und des «Flash».
--- 2013
Zum zweiten Mal finden die Velokurier-Weltmeisterschaften in der Schweiz statt. Dieses Mal in Lausanne.
--- 2015
Heute existieren in der Schweiz 20 Velokurierfirmen. Die grösste Schweizer Velokurierfirma mit 80 Festangestellten ist die Genossenschaft «Veloblitz» aus Zürich.
(Quelle: www.fahrradkurier.ch)
Impressum
Impressum
Projektarbeit im Rahmen des Werkstatt-Kurses «Multimediale Beiträge konzipieren und realisieren» an der SAL Höhere Fachschule für Sprachberufe (Zürich) im Frühlingssemester 2015. Coaching und Redaktion durch Robert Hansen, FAU – Fokus Arbeit Umfeld (Zürich).
© Texte, Bilder, Videos: Veronika Ebner, Thomas Hügli, Chantal Merz und Renato Rosic
© Musik: Scomber – Summertime to Go / Lizenz: CC BY-NC 3.0 / Originalsong gekürzt durch Renato Rosic
© Kartenmaterial: GeoBasis-DE/BKG / Google / Suunto
Das Projektteam dankt der Geschäftsleitung und allen Mitarbeitenden der Genossenschaft Veloblitz in Zürich für ihre Unterstützung.