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Arbeit in der Dunkelheit

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Die Sehbehinderte

«Die Gäste erwarten im dunklen Raum immer noch etwas Restlicht und sind zu Beginn mit der Situation überfordert.»
Sabine Reist, Serviceangestellte

Sabine Reist ist blind. Das beeinträchtigt sie bei ihrer Arbeit jedoch kaum. Im Restaurant «blindekuh» in Zürich begleitet sie als Servicemitarbeiterin ihre Gäste bei einem kulinarischen Erlebnis der besonderen Art. Drei Mal in der Woche fährt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Zuchwil nach Zürich an ihren Arbeitsplatz. Quinoa, ihre Blindenhündin, begleitet sie dabei auf Schritt und Tritt.
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Motto: Es muss immer etwas gehen.

Blind: Seit Geburt. Auf dem linken Auge kann sie hell und dunkel unterscheiden und bei naher Distanz einzelne kräftige Farben. Auf dem rechten Auge sieht sie nichts. Als vollblind gilt man bei einem Sehrest von sechs Prozent. Sabine Reist hat einen Sehrest von fünf Prozent.

Arbeitet in der «blindekuh» seit: April 2005. Dazwischen machte sie eine Ausbildung als Sachbearbeiterin Sozialversicherung und pausierte zwei Jahre bei der «blindekuh».
 

Lieblingsessen: Chinesische Nudeln mit Gemüse und Crevetten

Lieblingsfarbe: Petrol

Der Hund: «Quinoa bedeutet mir sehr viel. Sie ist eine gute Freundin und gleichzeitig eine grosse Hilfe. Sie zeigt mir den Weg.»

Schwierigkeiten bei der Arbeit: «Wir müssen alle Bestellungen und Wünsche im Gedächtnis behalten. Da die Gäste im Dunkeln die Distanz nicht einschätzen können, ist es im Restaurant eher laut. Manchmal verstehen wir dann bei der Bestellungsaufnahme unser eigenes Wort nicht mehr.»

Spezielles Erlebnis: «Gäste hatten sich während des Dinierens die Schuhe ausgezogen und fanden diese dann nicht mehr.»      






















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Alter: Sieben Jahre

Rasse: Labrador

Motto: Wuff!

Sprachkenntnisse: Die Kommandos erteilt Frauchen auf Italienisch, ansonsten einige Brocken auf Schweizerdeutsch.

Mein Beruf: Blindenführhund

Ausbildungsdauer: Zwei Jahre

Charaktereigenschaften: Friedfertig, intelligent, nervenstark. Der Wille zur Arbeit zeichnet sie als Blindenhund aus.

Ausbildungsinhalt: Sie sucht auf Anweisung Türen, Treppen, Zebrastreifen, freie Sitzplätze und vieles mehr. Das Gefundene zeigt sie an, indem sie davor stehen bleibt. Derzeit beherrscht sie 76 Hörzeichen.

Besonderes: Bei Gefahr, wie zum Beispiel im Strassenverkehr, muss Quinoa in der Lage sein, den Befehl zu verweigern. Dieser «intelligente Ungehorsam» wird mit viel Training angeeignet.

Schwierigkeit bei der Arbeit: Sie darf sich nicht ablenken lassen.

An der Seite von Frauchen Sabine seit: März 2012

Lieblingsessen: Alles. Sie frisst für ihr Leben gern.

Vorlieben: Das morgendliche Sonnenbad auf dem Balkon.

Ungeduldig: Wenn sie nicht mitdarf.

Wenn Frauchen Sabine am Arbeiten ist: Sie ruht in einem Körbchen und träumt vor sich hin. Oder sie vertreibt die Zeit mit anderen wartenden vierbeinigen Kollegen. 













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Die Servicemitarbeiterin

Der gemeinsame Arbeitsweg.

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Die Servicemitarbeiterin

Erblindungsgrund und die Sinne.

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Die Servicemitarbeiterin

Gefühlte Tischordnung.

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Die Servicemitarbeiterin

Sabine und die Dunkelheit.

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Der Koch

«In der Küche hat es Licht, und hier arbeiten auch keine Sehbehinderten.» 

Dirk Simon, Küchenchef


Dass wir vor allem mit unserer Zunge schmecken, ist ein Irrtum. Eine Erdbeere weckt durch ihr intensives Rot die Erwartung, dass sie süss ist. Unsere Erfahrungen werden gespeichert, und die Farben tragen zur Geschmacksempfindung bei. Was passiert aber, wenn wir den Sehsinn beim Essen nicht verwenden können?

Die Menüs der «blindekuh» sind mit intensivem Geschmack angerichtet. Die Köche schmecken die Speisen vor dem Servieren mehrmals ab und setzen mit frischen Kräutern eine besondere Note.

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Motto: Jeden Tag 100 Prozent geben!

Alter: 31

Bei der «blindekuh» seit: 1. März 2014

Lieblingsessen: Sauerbraten, Tagliatelle und zerlassene Butter mit Semmelbrösel

Lieblingsfarbe: Schwarz

Schwierigkeiten bei der Arbeit: Der Arbeitstag mit den blinden Mitarbeitenden unterscheidet sich stark von dem mit den Sehenden. Gesten funktionieren nicht, alle Anweisungen müssen mündlich gegeben werden. Strenge Tischordnung unterstützt die Orientierung der Serviceangestellten.

Spezielles Erlebnis: Beim «Table for Two» gab es schon einmal einen Heiratsantrag.
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Der Koch

Die Unterschiede zu einem normalen Betrieb.

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Zitronenjoghurt, Vitello mit Radieschensalat
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Gebratenes Lachsfilet, rosa Pfeffer, Hollondaise, grüner Spargel, neue Kartoffeln
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Erdbeer-Champagner-Parfait, Rhabarber-Kompott, Pistazien-Krokant
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Der Koch

Die Hilsmittel für die blinden Service-Angestellten.

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Der Koch

Frische Kräuter, oftmals abgeschmeckt.

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Der Koch

Dirk und die Dunkelheit.

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Der Gast

«Wir waren alle beim Essen vorsichtig. Ich dachte, die Speisen wären kompakter angerichtet.» 

Ines Schöne, Gast

Die Gäste wählen ihr Menü bei der Réception im Hellen. Danach führt das Servicepersonal über eine Lichtschleuse in den tiefschwarzen Raum und an den reservierten Platz, nimmt Bestellungen auf, bringt duftende Speisen. Besteck klappert, der Geräuschpegel steigt, die Sinne sind wach.







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Alter: 45

Motto: «Du bekommst nicht immer, was du willst. Aber versuch es. Vielleicht bekommst du, was du brauchst.»
Mick Jagger

Beruf: Journalistin und Fotografin

Lieblingsessen: Thai-Curry

Lieblingsfarbe: Das Rostrot der Tempel in Myanmar.

Erfahrungen mit der Dunkelheit: Ich habe Angst im Dunkeln, weil mir meine Phantasie Streiche spielt.

Erfahrung mit einem Blinden: Mein Nachbar in Mailand, der langsam erblindete. Eines Nachts lud jemand Kartons vor seinem Fenster ab, und er erschrak fast zu Tode.

Weshalb der Besuch in der «blindekuh»: Pure Neugier, wie es sich anfühlt, blind zu essen.



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Der Gast

Licht auf der Menükarte, Dunkelheit am Tisch.

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Der Gast

Gespräche der Restaurantbesucher.

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Lässt man die Augen im Dunkeln lieber geschlossen oder offen? Was ist beim Essen entspannender? Und verlieren wir den Sinn für Raum und Zeit? Eingiessen der Getränke geht, die Speisen auf dem Teller zu finden, ist schwieriger. Wie viele Leute sitzen im Raum? Für die Gäste sind zwischen dem  Amuse-Bouche und der Vorspeise gefühlte 25 Minuten vergangen – in Wirklichkeit waren es 50. 

Hören Sie einige Gesprächsszenarien ...

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Der Gast

Gasterlebnisse in der Dunkelheit.

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Die Restaurantbesucher der «blindekuh» lassen sich auf ein Experiment ein, denn gegessen wird in der vollständigen Dunkelheit. Was für die einen zu einem besonderen Abend wird, ist für die anderen Alltag. Die «blindekuh» ist der grösste private Arbeitgeber für Blinde in der Schweiz und bietet für 30 Personen – davon die Hälfte mit Sehbehinderung oder blind – einen gesicherten Arbeitsplatz.

In Spitzenzeiten werden bis zu 80 Gäste im Restaurant kulinarisch verwöhnt. An Wochenenden sind die Plätze auch nach Jahren des Betriebs ausgebucht. Das Exotenimage haben die Betreiber längst abgeschüttelt und werden als renommiertes Restaurant in der kulinarischen Welt wahrgenommen. 

Die «blindekuh» in Zürich ist das weltweit erste Dunkelrestaurant. Die Idee entstand im Zürcher Museum für Gestaltung. An der Ausstellung «Dialog im Dunkeln» führten Blinde sehende Besucher durch lichtlose Räume. Der Bülacher Pfarrer Jürg Spielmann und sein Team projektierten darauf 1999 das Dunkelrestaurant. Inzwischen ist das Konzept schon in mehr als 20 Ländern übernommen worden.

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Konzipiert und realisiert im Juni 2015 von Denise Ferrarese und Robert Hansen.



Text, Fotografie, Interviews: Denise Ferrarese

Video und Redaktion: Robert Hansen


© www.derarbeitsmarkt.ch
Kontakt: info@dfportfolio.ch, info@derarbeitsmarkt.ch



Das Projektteam dankt der Geschäftsleitung und allen Mitarbeitenden der «blindekuh» für diesen Einblick in die Dunkelheit. Ein besonderes Dankeschön geht an Sabine Reist, Ines Schöne, Dirk Simon und Quinoa.

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