In der Ausstellung
Material für Metamorphosen
Modellierbar, wiederverwendbar, trocknet nie aus: Wegen dieser Eigenschaften ist Plastilin seit seiner Erfindung 1890 bis heute beliebt im Autodesign, in der Theaterwerkstatt oder im Animationsfilm – lässt es sich doch nicht nur kneten, sondern auch kochen, backen, giessen. Grund genug, diesem wandelbaren Material eine Ausstellung zu widmen.
Kapitel 1In der Ausstellung
Und nicht zuletzt: Eine der international bekanntesten Figuren des Animationsfilms kommt aus der Schweiz. Warum Pinguin Pingu so beliebt werden konnte, sagt die Kuratorin der Ausstellung und stellvertretende Museumsleiterin Susanna Kumschick.
Der Animationsfilm – mit Klassikern wie «Wallace & Gromit» und «Shaun the Sheep», aber auch zahlreichen weniger bekannten Werken – bildet einen Schwerpunkt in der Ausstellung.
In der Theaterwerkstatt
Kapitel 2In der Theaterwerkstatt
Die Werkstatt «Theaterplastik und Bildhauerei» des Opernhauses Zürich verarbeitet jede Saison bis zu 20 Kilo Plastilin für die durchschnittlich 15 Neuproduktionen.
Für eine davon, Giuseppe Verdis Oper «Macbeth», die im April 2016 Premiere feierte, stellte die Werkstatt täuschend echt aussehende Krähen her. Diese sollten sich dank eingebauter Mechanik wie lebende Vögel bewegen lassen.
Bevor er das Krähenmodell aus Plastilin formte, machte sich Moises Bürgin, co-stellvertretender Atelierleiter, ein detailliertes Bild der Tiere.
Dass das Reptil aus harmlosem Styropor ist, sollen die jungen Zuschauer nicht erkennen. Ebenso wenig, dass es aus mehreren Teilen besteht – nur so konnte es die Werkstatt verlassen. Entsprechend portionierte Moises Bürgin auch das Plastilinmodell.
Leicht formbares, weiches Plastilin verwendete Moises Bürgin für ein Modell des Kopfes der Hauptdarstellerin von «Alcina». Die Oper von Georg Friedrich Händel wurde im März 2016 wieder in den Spielplan aufgenommen. Ins weiche Material sollten die Gesichtsmerkmale der Solistin eingearbeitet werden – bis hin zu Falten und Poren –, damit das Abbild der echten Sängerin bis ins Detail gleicht.
In diese Formen giesst der Theaterplastiker geschmolzenes Plastilin, Schicht um Schicht, dazwischen verstreicht er es zügig.
Dass Planänderungen des Opernhauses jederzeit vorgesehene Arbeiten überflüssig machen können, nimmt Moises Bürgin gelassen. Sie gehören zum Alltag eines jeden Theaterbetriebs.
Der Maskenbildner ist vom Material Plastilin fasziniert. Was er an Weiterbildungen bei Profis lernt, setzt er in der Freizeit im Atelier zuhause in Gelterkinden (BL), wo er Fantasiewesen kreiert, verstorbene Legenden wie den Musiker Jimi Hendrix nachbildet und erschreckend echt wirkende Prosthetics fertigt: künstliche Wunden und andere Make-up-Spezialeffekte, wie man sie aus Filmen kennt.
Im Animationsfilm
Kapitel 3Im Animationsfilm
Der Film von Lukas Egger, Bernhard Bamert und Produzentin Saskia von Virág erzählt von einem skurrilen Ausflug dreier Musiker in die Schweizer Bergwelt mit ihren volkstümlichen Klischees. Lukas Egger baute seine Darsteller aus Draht, Holz, Fimo – einem der Knete ähnlichen Material – und Plastilin.
Wie sich unterschiedliche Materialien kombinieren lassen und welche Modelliermasse sich für welche Körperteile besonders gut eignet, war das Ergebnis von Recherche, aber vor allem von Ausprobieren und daraus Lernen.
Vom Material Plastilin erhoffte sich Lukas Egger: schnelles Animieren. Rasch merkte er, dass dessen Qualitäten andere sind.
Seine Protagonisten schuf Lukas Egger je dreimal, das Gesicht des vierschrötigen Wirts für eine Grossaufnahme noch ein viertes Mal – wenn auch nur teilweise.
Heute arbeitet der freischaffende Regisseur nicht mehr mit Plastilin – ein beruflicher Türöffner war der aufwendige Animationsfilm für ihn allemal.
Impressum
Konzept, Text, Fotos, Videoschnitt: Paola Pitton
Videos: Paola Pitton, Carmen Püntener
Audio-visuelle Beratung: Carmen Püntener
Foto Kapitel 2 Krokodil: zVg. / Danielle Liniger, Opernhaus Zürich
Fotos Kapitel 2 Creatures und Prosthetics: Moises Bürgin
Die Ausstellung «Plot in Plastilin» im Gewerbemuseum Winterthur dauert bis 18. September 2016.
Kontakt:
paola.pitton@codecompany.net
www.paolapitton.ch
carmen.puentener@gmx.ch
www.videofenster.com