Unter widrigsten Bedingungen
Enduro Val de Lorraine Classic
Durch Wälder und über Wiesen, 200 km an einem Tag, und als Besonderheit Streckenabschnitte in Schützengräben des Ersten Weltkriegs.
Enduro
Enduro ist nicht Motocross
Heute dauern Motorradrennen mediengerecht etwa 45 Minuten, und die Konkurrenten fahren auf der Piste direkt gegeneinander. Das ergibt Spannung und Spektakel, und mit der Passage der Ziellinie ist klar, wer gewonnen hat.
Und sie fahren doch
Seit 1981 wird diese Sportart weltweit einheitlich Enduro genannt – ein Kunstwort, das sich aus dem englischen «endurance» (Ausdauer) und dem spanischen «duro» (hart) zusammensetzt. Es sind ein- bis mehrtägige Rennen durch schwieriges Gelände.
Die Hilfe von Serviceteams und Mechanikern ist stark eingeschränkt, grundsätzlich darf nur der Fahrer am Motorrad arbeiten.
Der Enduro-Sport droht zu verschwinden. Nicht wegen mangelnder Teilnehmer oder fehlenden Publikums, sondern wegen des enormen Aufwands, den es für die Organisation eines solchen Rennens braucht. Enduros finden nicht auf abgesperrten, privaten Pisten, sondern auf öffentlichem und privatem Boden statt.
Es braucht Bewilligungen von Gemeinden, Bezirken und weiteren Behörden. Ebenso müssen alle privaten Landbesitzer einverstanden sein. Ein Heer an Helfern wird benötigt, um die Strecke vorzubereiten, um am Renntag den reglementskonformen Ablauf sicherzustellen und um nach dem Rennen alles wieder herzurichten.
18. Enduro Val de Lorraine Classic
Wegen der langen Distanz, der schönen Sonderprüfungen und der guten Organisation kommen Fahrer aus den Benelux-Ländern, der Schweiz, Deutschland und sogar England zu diesem Rennen. Insgesamt 640 Fahrer nahmen 2017 teil.
Interview mit OK-Präsident Philippe Letouneau
Wie ist der Stellenwert des Enduro hier in Faulx?
«Es ist die grösste Veranstaltung in Faulx. Der Motorradclub ist mit 500 Mitgliedern auch die grösste Sektion des Foyer Rural. Es gibt weitere Sektionen wie Fussball, Stepptanz, Judo, Tischtennis, Mountainbike oder Önologie.»
Wie gross ist der Aufwand, um dieses Rennen zu veranstalten?
«Ich arbeite neun Monate pro Jahr an der Organisation des Enduro-Rennens, natürlich nebenberuflich und unentgeltlich.»
Wie viele Freiwillige arbeiten mit?
«Es braucht fünf bis zehn Leute, die sich einsetzen und für einen Bereich Verantwortung übernehmen. Ab Februar bauen wir jeden Samstag an der Strecke, suchen neue Passagen und Verbindungen. Nach dem Rennen gibt es eine Menge Arbeit, um alles wieder in den ursprünglichen Zustand zu bringen. Jeden Samstag haben wir mindestens 50 bis 100 Helfer, die unentgeltlich arbeiten, selbst bei schlechtem Wetter. Der Moto Club sorgt nur für das Mittagessen, ebenfalls mit freiwilligen Helfern.»
Wird es das Enduro Val de Lorraine noch lange geben?
«Das grosse Problem sind die Genehmigungen der Gemeinden und der Präfekturen. Unsere Strecken führen durch 45 Gemeinden, und jeder Bürgermeister will jedes Jahr aufs Neue überzeugt werden. Wenn Grüne an die Macht kommen, wird es schwierig. Dazu kommt weiterer administrativer Aufwand wie die Erstellung des Dossiers für das Departement, was immer aufwendiger wird.»
Mehr Helfer als Fahrer
An den beiden Renntagen des Enduro Val de Lorraine sind rund 800 Helfer im Einsatz, die meisten aus den umliegenden Dörfern. Sie überwachen den reglementskonformen Ablauf der Veranstaltung, regeln an gefährlichen Kreuzungen den Verkehr, registrieren die Fahrer an den Durchfahrtskontrollen oder richten von übermotivierten Fahrern umgefahrene Streckenmarkierungen wieder auf. Sie stellen die korrekte Zeitmessung sicher, leisten bei Unfällen Erste Hilfe und sorgen für die medizinische Versorgung. Marshalls patrouillieren auf schwer zugänglichen Streckenabschnitten und fahren am Ende des Tages die gesamte Strecke ab, um sicherzustellen, dass nirgends ein verletzter Fahrer liegt. Die Rennleitung behandelt Proteste und Beschwerden und spricht allenfalls Sanktionen aus.
Schweizer Enduro-Meisterschaft
Dennoch gibt es eine Schweizer Meisterschaft, 2017 bestehend aus neun Tageswertungen. Die Rennen finden in Frankreich und Italien statt. Rund 150 Schweizer Fahrer lösen eine Enduro-Rennlizenz, Hobbyfahrer können mit einer Tageslizenz teilnehmen, bekommen aber keine Meisterschaftspunkte.
Administrative Kontrolle
Technische Abnahme
Parc Fermé
Am Renntag starten die Fahrer in Minutenabständen in Dreiergruppen. Eine Viertelstunde vor dem Start darf der Fahrer den Parc Fermé betreten. In der Arbeitszone vor dem Start darf er zehn Minuten am Motorrad arbeiten, der Motor darf aber nicht gestartet werden.
Start: Es geht los
Auf der Strecke
Auf den Verbindungsstrecken zwischen den sogenannten Zeitkontrollen sind Sollzeiten auf die Minute genau einzuhalten. Die Strecke ist mit Pfeilen markiert und führt über öffentliche Strassen und Wege, über Felder und Hügel, durch Wälder und Gestrüpp.
Unerwartete Zeitreise in den Ersten Weltkrieg
Abkürzen geht nicht
An der Strecke passiert er sogenannte Durchfahrtskontrollen. Ist ein Fahrer nicht an allen Durchfahrtskontrollen registriert, wird er disqualifiziert.
Auf die Minute genau
Die Fahrer notieren ihre Sollzeiten auf Klebstreifen, die sie am Lenker befestigen. Wer zu spät zur Zeitkontrolle kommt, wird mit 60 Strafpunkten pro Minute bestraft. Wer mehr als eine halbe Stunde zu spät ist, wird disqualifiziert.
Sonderprüfungen: so schnell es geht
Auf sich gestellt
Nach dem zweiten Fahrtag wird das Motorrad für eine halbe Stunde in den Parc Fermé eingeschlossen. In dieser Zeitspanne haben Konkurrenten die Möglichkeit, gegen ein reglementswidriges Motorrad zu protestieren.
Es gewinnt der Fahrer mit der geringsten Punktezahl, addiert aus Streckenstrafpunkten und Sonderprüfungszeiten. Wer das ist, wird meist erst im Laufe des Montags bekannt, wenn die meisten Enduro-Amateure nach einer langen Heimreise und einer kurzen Nacht im Bett wieder an ihrem Arbeitsplatz sind.
Noch lange nicht zu Ende
Impressum
Rolf Lüthi # 554
Projektleitung
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Gesamtverantwortung
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Chefredaktor «der arbeitsmarkt»
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