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Einleitung

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Schmerzen gehören zu ihrem Alltag. Eine Verletzung kann das Karriereaus bedeuten. Und um die wenigen Stellen kämpfen zahlreiche Konkurrentinnen und Konkurrenten. Denn Tänzerin/Tänzer ist ein Traumberuf. Auch für Chloé Granges. Die 20-Jährige aus Martigny (VS) absolviert den neuen Studiengang «Contemporary Dance» – den ersten seiner Art in der Schweiz.
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Traum

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Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) führt den Bachelor-Studiengang «Zeitgenössischer Tanz» als Kooperation mit der Fachhochschule Westschweiz in Lausanne. Die beiden Ausbildungsstätten sind in ihrer praktischen Ausrichtung unabhängig; die theoretischen Fächer besuchen alle Studierenden am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern.

Der Bachelor (BA) umfasst 180 ECTS-Punkte und ist auf sechs Semester angelegt. Mit 2500 Studierenden ist die ZHdK laut eigenen Angaben eine der grössten Kunsthochschulen Europas.

Künstlerischer Leiter des BA Contemporary Dance ist Samuel Wuersten. Der Schweizer ist seit vielen Jahren Co-Rektor der Rotterdamer Tanzschule Codarts und Direktor des Holland Dance Festival. 

Im ersten Lehrgang in Zürich studieren zwei junge Männer und zehn junge Frauen, darunter Chloé Granges. Bevor sie an der ZHdK aufgenommen wurde, besuchte sie 14 Jahre lang das kantonale Tanzkonservatorium in Sion (VS).




















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Tanzausbildungen auf Hochschulstufe gibt es in den USA und England seit vielen Jahrzehnten. Im übrigen Europa wurden bestehende Ausbildungen in den letzten Jahren in Bachelor-Programme umgewandelt.

Hier eine Auswahl an europäischen Institutionen, die einen Bachelor in Contemporary Dance anbieten:

1. Iceland Academy of the Arts, Reykjavik, Island
2. The Academy of Dance, National Academy of the Arts,
Oslo, Norwegen
3. University of Dance and Circus,
Stockholm, Schweden
4. Theatre Academy of Finland, Helsinki, Finnland
5. Latvian College of Culture, Riga, Litauen
6. Northern School of Contemporary Dance, Leeds, England
7-a. London Contemporary Dance School, London, England

7-b. Laban Center, Faculty of Dance, London, England
8. Amsterdamse Hogeschool voor de Kunsten,
Amsterdam, Niederlande
9. Codarts Rotterdam, Rotterdam, Niederlande
10. ArtEZ Hogeschool voor de Kunsten, Arnheim, Niederlande
11. Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz,
Berlin, Deutschland
12. Palucca Hochschule für Tanz, Dresden, Deutschland
13. Folkwang Universität der Künste, Essen, Deutschland
14. Zentrum für Zeitgenössischen Tanz, Hochschule für Musik und Tanz, Köln, Deutschland
15. Hochschule für Musik und Darstellende Kunst,
Frankfurt am Main, Deutschland
16. Konservatorium, Wien, Österreich
17. Anton Bruckner Privatuniversität, Linz, Österreich
18. Zürcher Hochschule der Künste, Zürich, Schweiz
19. Theaterhochschule La Manufacture, Fachhochschule Westschweiz, Lausanne, Schweiz
20. Centre national de danse contemporaine,
Angers, Frankreich
21. Conservatoire national supérieur musique et danse,
Lyon, Frankreich
22. Conservatori Superior de Dansa del Institut del Teatre, Barcelona, Spanien
23. Escola superior de Dança, Lissabon, Portugal
































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Was zeitgenössischer Tanz ist, lässt sich nur schwer definieren. Ihn systematisch zu erfassen, sei aufgrund seiner «künstlerischen Vielfalt, der innovativen Offenheit und des ständigen Wandels kaum möglich», schreibt die Schweizer Tanzwissenschaftlerin Claudia Rosiny im Buch «Zeitgenössischer Tanz».

Die Entwicklung hin zum zeitgenössischen Tanz ortet sie mit dem Beginn der Moderne und den individualisierenden Tendenzen in der Gesellschaft.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren der «Ausdruckstanz» und der «moderne Tanz» in Deutschland wie der «Modern Dance» in den USA auch Abgrenzungen zum klassischen Ballett, einhergehend mit einem neuen Umgang mit Bewegung und Musik.

Ab den 1960er-Jahren veränderte und erweiterte sich der Begriff, immer neue Richtungen und Bezeichnungen kamen hinzu, etwa Tanztheater, Post Modern Dance, New Dance oder Physical Theatre.
 

Seit einigen Jahren beeinflussen neue Technologien sowie asiatische Tanzformen, Kampfsportarten oder Körperbewusstseinstechniken den zeitgenössischen Tanz.






















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«Tanz auf Hochschulstufe zu studieren macht Sinn, denn es bedeutet bessere berufliche Perspektiven. Nach dem Bachelor können die Absolventen einen Master anschliessen, zum Beispiel in Choreografie oder Tanzpädagogik oder in verwandte Bereiche wie Kulturmanagement oder Gesundheit.

Oder sie studieren etwas ganz anderes: Ehemalige Tanzkollegen von mir sind heute Rechtsanwälte.


Im internationalen Vergleich ist die Schweiz spät dran mit einer Ausbildung im zeitgenössischen Tanz auf Hochschullevel. Es ist wichtig, dass dies jetzt möglich ist.»


Samuel Wuersten
Künstlerischer Leiter BA Contemporary Dance ZHdK



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Wer sich für den Bachelor in Contemporary Dance an der ZHdK bewerben will, darf höchstens 22 Jahre alt sein und braucht eine berufliche oder gymnasiale Maturität, alternativ eine Fachmaturität in Tanz, Musik, Theater und Gestaltung, einen Handelsmittelschulabschluss oder einen Fachmittelschulausweis.
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«Die Bewerber für den ersten Lehrgang haben wir nach den Kriterien der körperlichen und der künstlerischen Voraussetzung ausgewählt: Eignet sich erstens der Körper zum Tanzen? Und nimmt man zweitens eine starke Bühnenpräsenz wahr sowie tänzerische Kreativität?»


Samuel Wuersten
Künstlerischer Leiter BA Contemporary Dance ZHdK
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«Wir haben Platz für 16 Studenten. Für den jetzigen ersten Lehrgang schauten wir 80 Bewerber an und nahmen 12. Ans Vortanzen für den zweiten Lehrgang, der im September 2015 beginnt, kamen weit über 100 Bewerber.
 


Im Vorfeld sorgten wir uns, ob genügend gute Tänzerinnen und Tänzer aus der Schweiz sind. Meine Antwort jetzt: absolut ja. Fünf Studierende sind von hier. Sie kommen von überall her, oftmals aus sehr strukturierten Vorausbildungen, bis hin zu ganz kleinen Privatschulen, die hervorragende Arbeit leisten.»


Samuel Wuersten
Künstlerischer Leiter BA Contemporary Dance ZHdK



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Alltag

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Zum Studiengang «Contemporary Dance» gehören nebst den praktisch ausgerichteten Lehrfächern auch Kurse in Anatomie oder Tanzwissenschaften.

Und das Fach Führungskompetenz.
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«Im Fach Führungskompetenz lernen die Studenten, ihr Wissen zu vermitteln und zu kommunizieren, zum Beispiel wenn sie mit einem Choreografen arbeiten oder mit Mitschülern einen Probeplan gestalten.

Sie sollen Selbstinitiative zeigen und Selbstverantwortung tragen. Nicht einfach machen, was ihnen gesagt wird, sondern mitdenken, mitbestimmen, argumentieren. Kurz: lernen mit Verpflichtungen professionell umzugehen.»


Samuel Wuersten
Künstlerischer Leiter BA Contemporary Dance ZHdK
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Auf dem Studienplan steht auch Musikanalyse.

Berufsmusiker Roman Glaser ist einer von zwei Dozenten, die die Studierenden in Notation, Harmonielehre oder Geschichte unterrichten.
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Nach zwei von sechs abgeschlossenen Semestern stehen nicht nur Chloé Granges und ihre Studienkollegen mitten in der Ausbildung. Auch der BA Contemporary Dance befindet sich im ersten Durchlauf und muss sich bewähren.

Umso mehr, als der erste Versuch, einen Studiengang in zeitgenössischem Tanz in der Schweiz zu etablieren, 2009 nach wenigen Monaten gescheitert war. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie hatte die Bewilligung nicht erteilt.

Diesmal sind die formalen Voraussetzungen erfüllt. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bewilligte Ende 2013 den Bachelor. Ein «Meilenstein für die Professionalisierung und internationale Anschlussfähigkeit der Tanzausbildung in der Schweiz» sei erreicht, freute sich der Berufsverband der Schweizer Tanzschaffenden «Danse Suisse».









                                                              








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Den internationalen Anschluss sichert sich der Bachelor-Studiengang der ZHdK durch die Zusammenarbeit mit der «Codarts Rotterdam». Sein Ausbildungsmodell lehnt sich an die in die 1930er Jahren zurückgehende Schule. Dessen Co-Rektor ist – Samuel Wuersten. Und entsprechend eng ist die Verbindung: Codarts stellte der ZHdK die eigenen Lehrpläne für die Vorarbeit zum BA zur Verfügung.

Das Lehrmaterial kommt ebenfalls von der niederländischen Schule. Ihre Dozenten sind in Zürich Prüfungsexperten, sie unterrichten hier, und die beiden Schulen tauschen Choreografen aus.  

Das Netzwerk von Codarts solle für den Schweizer BA erschlossen werden, sagt Samuel Wuersten. «Das Geheimnis für den Erfolg einer Schule ist, dass sie gut im beruflichen Netzwerk eingebettet ist.»
  
Wie gut der neue Lehrgang vernetzt ist, wird sich auch bei der Suche nach Berufspraktika zeigen. Im letzten Studienjahr sollen die angehenden Tänzerinnen und Tänzer des BA Erfahrungen sammeln, in Theatern oder freien Kompanien, im In- oder Ausland, für ein ganzes Jahr oder die Dauer eines Projekts.


























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Der Lehrgang kann auf die Unterstützung international bekannter Choreografen zählen. Für den Abschluss des ersten Studienjahres im Juni tanzten die Studierenden einen Ausschnitt aus einer Choreografie von Martin Schläpfer, dem Ballettdirektor der Deutschen Oper am Rhein. Und der Basler Ballettdirektor Richard Wherlock schuf eigens für sie ein Stück.

Für die Studierenden Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
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Zukunft

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Rund 400 Tänzerinnen und Tänzer zählt der Berufsverband «Danse Suisse» in der so genannten freien Tanzszene. Teilweise arbeiten sie in den 70 freien Kompanien, die zeitgenössische Tanzproduktionen auf die Bühne bringen. Einige Dutzend zeitgenössisch ausgebildete Tänzer sind in Kompanien an Theatern festangestellt.
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Wo zeitgenössisch ausgebildete Tänzerinnen in der Schweiz eine Anstellung finden und wovon Tänzer zwischen zwei Stückverträgen leben, sagt Samuel Wuersten, künstlerischer Leiter des Lehrgangs «Contemporary Dance» an der ZHdK.


«Zeitgenössischen Tanz studiert, wer nicht gut genug für eine klassische Ballettausbildung ist» – was sagen Sie zu dieser Aussage?

Sie ist dumm und altbacken. Ein alter Hut, der längst nicht mehr der Realität entspricht. Schon vor 100 Jahren bildeten sich Tänzer in modernem Tanz aus, weil sie anders tanzen wollten. Wahr ist dagegen, dass es einfacher ist für einen klassisch ausgebildeten Tänzer zum modernen Tanz zu wechseln. Umgekehrt passiert dies selten.  

Wie prüfen Sie die Fortschritte der Studierenden?
Diese zu messen, ist schwierig. Es geht nicht darum, zu sagen: «Jetzt springst du einen halben Meter höher, also hast du Fortschritte gemacht», sondern um eine Gesamtentwicklung. In einem universitären Lehrgang steht die Selbstreflexion im Zentrum, die Fähigkeit also, die eigenen Fortschritte wahrzunehmen und zu reflektieren. Die Dozenten führen deshalb mit den Studierenden Evaluationsgespräche über die Ziele und darüber, ob und wie sie diese erreicht haben.

Wird Chloé Granges nach dem Studium eine Anstellung finden?
Chloé ist eine besondere künstlerische Persönlichkeit. Entwickelt sie sich so weiter, wie sie es in diesem Jahr getan hat, hat sie reelle Chancen, in den Tanzberuf einzusteigen. Zwar gibt es in diesem Beruf keine Garantien. Wohl aber Tänzer mit besseren oder schlechteren Voraussetzungen. Chloé gehört zu ersteren.   

Als was werden die Studienabgänger des Bachelors «Contemporary Dance» eine Arbeit finden?
Als zeitgenössische Tänzer im breiten Schweizer Angebot: an den Theatern in Luzern, Bern oder St. Gallen sowie in freien Kompanien und in der freischaffenden Szene. Oder im Ausland. 

Die Verträge sind bei vielen Kompagnien und in der freien Szene zeitlich beschränkt. Wovon leben zeitgenössisch ausgebildete Tänzer in der Zwischenzeit?
Oft von Zwischenjobs, die nicht viel mit Tanzen zu tun haben. Oder sie unterrichten Tanz. Das ist sehr hart, aber leider Realität. Ich kann sie nicht schöner schildern, als sie ist.    

«Tänzer/in» ist auch für zeitgenössisch ausgebildete Profis ein kurzlebiger Beruf. Wie bereitet der Lehrgang die Studierenden auf die Zeit nach der Bühnenkarriere vor?
Es ist paradox: Auf einer Seite unterstützen wir sie dabei, ihren Traum vom Tanzen zu verwirklichen. Gleichzeitig müssen wir ihnen aber sagen: «Denk darüber nach, was du danach machst.» Das ist viel verlangt von 20-Jährigen. Dennoch ist es wichtig, das zu thematisieren und Perspektiven aufzuzeigen. Wahr ist auch, dass die berufliche Lebensdauer einer Tänzerin in den letzten Jahren gestiegen ist. Der Tanz hat sich entwickelt. Es gibt auch für ältere Tänzer immer mehr Möglichkeiten, aufzutreten. Nicht jede Karriere ist mit 35 Jahren vorbei.

Fast zeitgleich mit dem BA ist in Zürich eine zweite Ausbildung zum zeitgenössischen Tänzer gestartet. Gibt es einen Markt für die vielen Abgänger in den nächsten Jahren?

Die Antwort darauf hätte ich gerne. Ich kann sagen, dass es für die besten unter ihnen sicher Arbeit gibt. In Holland, wo ich auch tätig bin, gibt es drei Ausbildungen zum zeitgenössischen und zwei zum klassischen Tänzer sowie eine «urban dance»-Schule. Viel für ein kleines Land. Die Schweiz bot lange sehr wenig Ausbildungsmöglichkeiten – dass sie jetzt viele oder mehr hat, sollte Grund zum Jubeln sein. Denn die Schweiz baut an einem soliden Fundament. Mein Fokus als künstlerischer Leiter dieses Bachelor-Studiengangs liegt darauf, gute, marktfähige Tänzer auszubilden.





















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«Im internationalen Vergleich hat die Schweiz einen Rückstand aufzuholen. Der Vorteil ist: Wir müssen nicht alles neu erfinden.»

Samuel Wuersten
Künstlerischer Leiter BA Contemporary Dance ZHdK

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Einmal im Jahr trifft sich die Tanzszene am Festival «Zürich tanzt», einer Plattform für Kompanien und Ausbildungsstätten aller Stilrichtungen. 



Rund 100 Crash-Kurse animieren ein Wochenende lang zum Tanzen, während Profis öffentliche Plätze und die Bühnen der Stadt bespielen.



Die Studierenden des BA durften den Event mit einer «Flash-Mob»-artigen Performance am Hauptbahnhof Zürich eröffnen. 



Die international tätige Choreografin Marisa Godoy half ihnen bei der Umsetzung, die musikalische Begleitung gestaltete der Schwule Männerchor Zürich.
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Konzept und Realisation: 
Paola Pitton und Carmen Püntener

Foto von Samuel Wuersten: 
Antoinette Mooy

Karte Europa:
openclipart.org by Bubba
Grafische Umsetzung: Anja Piffaretti und Doris Urfer

Musik: 

Improvisation Piano: Brian Gill
Improvisation Querflöte: Roman Glaser
Gesang: Schmaz – Schwuler Männerchor Zürich

Kontakt: 

paola.pitton@codecompany.net
carmen.puentener@gmx.ch


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